Chronik einer danz gewöhnlichen Bahnfahrt

Vera J. fährt gerne Bahn.
Montagabend stieg sie in Bad Godesberg in einen Zug, sollte eine Stunde und 33 Minuten später in Essen sein.
Der Zug fuhr pünktlich ab. In Bonn hielt er, sammelte circa 15 Minuten Verspätung. Als es weiterging, blieb er immer wieder stehen, auf offener Strecke.
In Brühl wurden alle Fahrgäste aufgefordert, aus- und in Busse einzusteigen. "Personenschaden" hieß es. Ein Selbstmörder?
Vor dem Bahnhof keine Busse. Als sie endlich kamen, fragte Vera J.: "Bringen Sie uns nach Köln?" "Nein, zum nächst gelegenen Bahnhof." Der lag in einem Vorort von Hürth, war kaum beleuchtet und menschenleer. Bis jetzt.
Gut 100 Bahnkunden erklommen zwei Gleise. Eins war das falsche. Die drüben riefen: "Hier!" Gekraxel über die Schienen hinüber zum anderen Gleis. Auch eine Frau mit Kinderwagen war dabei.
Warten. Zehn Minuten? Eine gefühlte Ewigkeit. Dann eine Durchsage: "Bitte steigen Sie wieder in die Busse ein! Die Busse bringen Sie nach Köln."
In Köln: Gedränge am Info-Schalter. Im letzten Moment erreicht Vera J. das Gleis. Der letzte Zug nach Essen hat zehn Minuten Verspätung. Der Zug ist nahezu leer. Die Toilette ist verstopft. Vera J. macht den Schaffner darauf aufmerksam. Der schließt die Toilette ab.
Kurz nach ein Uhr morgens ist Vera J. in Essen.
Sie fährt nicht mehr gerne Bahn.

Uwe Knüpfer

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